Forschung und Lehre folgt keinem ökonomischen Prozessverständnis

Seit 2014 hat Manfred Stock eine Professur für Bildungssoziologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg inne. Er promovierte an der Humboldt Universität und habilitierte sich an der Freien Universität Berlin mit einer Arbeit zur sozialen Konstruktion von Beschäftigung in der Moderne. Gegenwärtig beschäftigt sich Stock in seiner Forschung vor allem mit den Themen Hochschulexpansion und Akademikerbeschäftigung, Akademisierung beruflicher Rollen und dem Wandel der akademischen Bildung.

WiHo-Redaktion: Wie würden Sie das Profil Ihrer Professur mit Blick auf die Forschung beschreiben?
Manfred Stock: Einen Schwerpunkt bildet die soziologische Hochschulforschung in international vergleichender und in historischer Perspektive, vor allem im Zusammenhang mit dem Wandel in den Bereichen von Wirtschaft und Politik.

WiHo-Redaktion: Was ist derzeit Ihr zentrales Forschungsprojekt und welchen gesellschaftlichen Bezug hat es?
Manfred Stock: Üblicherweise wird davon ausgegangen, dass Bildungs- und auch Hochschulsysteme in ihrer Entwicklung einem Bedarf an Qualifikationen folgen, der in der Wirtschaft oder auch in anderen Bereichen der Gesellschaft entsteht. Allerdings spricht sehr viel dafür, dass berufliche Einsatzmöglichkeiten und auch Arbeitsstellen vor allem in Anpassung an die Expansion der Hochschulstudiengänge und an die zunehmende Anzahl der Absolventen, die diese Studiengänge abschließen, erzeugt werden. Ich führe derzeit im Rahmen eines größeren Forschungsprojektes Fallstudien zu diesem Thema durch.

WiHo-Redaktion: Wie würden Sie das Profil Ihrer Professur mit Blick auf die Lehre beschreiben?
Manfred Stock: Meine Professur umfasst ein breites Spektrum an Lehrveranstaltungen. Dabei wird der Bildungsbereich als ein spezifischer Bereich der Gesellschaft in den Blick genommen. Bildung und Erziehung werden in ihren unterschiedlichen sozialen Formen und gesellschaftlichen Kontexten behandelt: Es geht dabei um Interaktion im schulischen Unterricht und in Hochschulseminaren, um organisatorische Formen wie Schulen und Hochschulen, um das Verhältnis von Bildung und sozialer Ungleichheit und um das Verhältnis des Bildungsbereiches zu anderen gesellschaftlichen Bereichen wie beispielsweise Wirtschaft und Politik. Darüber hinaus geht es darum, den Bildungsbereich als einen Teil der Weltgesellschaft zu verstehen. Neben der schulischen Bildung bildet die Hochschulbildung einen besonderen Schwerpunkt in der Lehre mit Blick auf die genannten Gesichtspunkte.

WiHo-Redaktion: Welche inhaltlichen Schwerpunkte zeichnet Ihre Lehre aus?
Manfred Stock: Auf eine knappe Formel gebracht: In der Lehre geht es mir vor allem um das Verhältnis von Bildung bzw. Hochschulbildung und Gesellschaft.

WiHo-Redaktion: Zum Status Quo der WiHo-Forschung in Deutschland: Worin ist sie gut? Was fehlt ihr noch?
Manfred Stock: Ich denke, dass in den letzten Jahren vor allem eine Ausrichtung in der Hochschulforschung sich als produktiv erwiesen hat, die die Untersuchung von Hochschulen – sei es unter dem Gesichtspunkt der Lehre, sei es unter dem Gesichtspunkt der Forschung – in gesellschaftliche Zusammenhänge einbettet und die das, was in Hochschulen passiert, nicht isoliert anhand schlichter technischer Kriterien wie etwa der Effizienz betrachtet und bewertet: Gerade eine gesellschaftstheoretisch informierte Hochschulforschung kann meines Erachtens im besonderen Maße auch auf die Fallstricke aufmerksam machen, die beispielsweise Bemühungen um eine Ökonomisierung von Forschung und Lehre mit sich bringen.

WiHo-Redaktion: Was sind aus Ihrer Sicht die zentralen Themen der kommenden Jahre in der WiHo-Forschung?
Manfred Stock: Gelegentlich gewinnt man den Eindruck, dass Forschung und akademische Lehre mehr und mehr quasi in Analogie zu Prozessen der Herstellung von Produkten betrachtet werden. Dabei geht man davon aus, dass man Forschung und Lehre umstandslos steuern und planen könne. Man bräuchte nur die richtigen Kennziffern, um die Abläufe zu kontrollieren, und darauf aufbauende Anreizsysteme, um einen bestimmten „Output“ zu erreichen. Ein solches Herangehen wird aber den Besonderheiten des Handelns in den Bereichen von Forschung und Lehre nicht gerecht. Man kann nur hoffen, dass in der Hochschul- und Wissenschaftsforschung diese Herangehensweise nicht ein solches Gewicht erlangt, wie es im Bereich der Bildungsforschung bereits der Fall ist.