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Studieneingangstests in Deutschland: Historie und Widerstände

Prof. Günter Trost, ITB Consulting, Bonn

Der erste Studierfähigkeitstest auf deutschem Boden fand im Jahr 1970, also vor fast 50 Jahren statt. Er wurde von der Studienstiftung des deutschen Volkes in einem dreistufigen Auswahlverfahren zur Vergabe von Studienstipendien verwendet. In der Entwicklungsgeschichte der Studieneingangstests spielt der Test für medizinische Studiengänge (TMS) eine zentrale Rolle, der vor und während seiner Entwicklung umstritten war wie kein anderes eignungsdiagnostisches Instrument: auf politischer Ebene, innerhalb der Medizin, auf der Schulseite, innerhalb der Psychologenschaft, in den Medien und in der Öffentlichkeit. Vor diesem Hintergrund beschloss die Kultusministerkonferenz 1979, den Test in einem sechsjährigen Übergangsverfahren unter Ernstfallbedingungen zu erproben mit dem Ziel, empirisch gesicherte Antworten auf alle kritischen Fragen zum Test und dessen Auswirkungen zu erhalten. Auf diese Weise wurde der Test für medizinische Studiengänge das am intensivsten und umfänglichsten beforschte diagnostische Verfahren der deutschen Bildungsgeschichte. In dieser Phase wurden in methodologischer, administrativer und rechtlicher Hinsicht Grundlagen geschaffen, auf denen die Entwicklung und Verwendung aller jüngeren Studierfähigkeitstests aufbauen konnte. Zudem ließen sich dank der umfassenden Untersuchungen eine Reihe von Vorbehalten gegenüber Tests dieser Art ausräumen. Die positiven Ergebnisse der Erprobungsphase führten dazu, dass der TMS als verbindlicher Bestandteil des Auswahlverfahrens bei der Medizinerzulassung ab 1986 eingeführt wurde. Seither ist er, von einer Unterbrechung in den Jahren 1998 bis 2006 infolge des vorübergehenden Rückgangs der Bewerberzahlen abgesehen, im Einsatz. Parallel zur Bereitstellung von Studierfähigkeitstests zu Auswahlzwecken wurden schon in den siebziger Jahren studienfeldbezogene Tests entwickelt, die ausschließlich der Beratung und Orientierung von Studierwilligen dienen. Sie werden bis heute, in gekürzter Form, von der Bundesagentur für Arbeit verwendet. Die aktuelle Situation ist gekennzeichnet durch - die Ausweitung des Spektrums an Studiengängen, in denen Fähigkeitstests bei der Zulassungsentscheidung herangezogen werden, auf die Wirtschaftswissenschaften, die MINT-Fächer, die Rechtswissenschaft und demnächst, an baden-württembergischen Hochschulen, die Pharmazie. Eine Besonderheit stellt der „Test für ausländische Studierende“ dar, den weltweit Personen, die an bestimmten Hochschulen in Deutschland studieren wollen, in ihrem Heimatland ablegen können; er deckt alle wichtigen Studienfelder ab und enthält zudem einen „Kerntest“, welcher studienübergreifende kognitive Fähigkeiten erfasst. - eine stark gestiegene Nachfrage nach Auswahltests auch in Studiengängen ohne Numerus clausus, dies vor allem an besonders attraktiven Standorten; - verstärkten Bedarf an Auswahltests für Master-Studiengänge, - eine erhöhte Nachfrage nach Test-Elementen, mit denen schulstoffbezogene Kenntnisse geprüft werden; Hintergrund sind Klagen etwa über das unterschiedliche Vorwissens-Niveau in der Mathematik bei Studierenden in den Ingenieur- und Naturwissenschaften; - die Zunahme an Online-Tests, die in einem wachsenden Netz entsprechend ausgestatteter Testzentren durchgeführt werden können; - neue Ansätze zur Erfassung sozialer Kompetenzen mithilfe standardisierter, maschinell auswertbarer Tests (z.B. „Situational Judgement Tests“), bei denen die bisherigen Evaluations-Ergebnisse allerdings hinter den Erwartungen zurückbleiben.

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