Ziemlich viele Daten, wenige Erkenntnisse
Uwe Schmidt besetzt an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz eine Professur für Hochschulforschung am Zentrum für Qualitätssicherung und ‑entwicklung. Er betreibt empirisch orientierte und theoriegeleitete Hochschulforschung mit den Schwerpunkten Hochschulevaluation, Wirkungsforschung, Organisationsentwicklung, Studienerfolgsforschung und Erforschung der Übergänge im Bildungssystem.
WiHo-Redaktion: Wie kam es, dass Sie sich mit Wissenschafts- und Hochschulforschung beschäftigt haben? Gab es ein zentrales Ereignis/eine bestimmte Erfahrung?
Schmidt: Seit meinem Studienbeginn habe ich ein Interesse an Fragen zur Entwicklung wissenschaftlicher Disziplinen entwickelt, was bereits Gegenstand meiner Dissertationsschrift war.
WiHo-Redaktion: Wie würden Sie das Profil Ihrer Professur mit Blick auf die Lehre beschreiben?
Schmidt: Die Schwerpunkte in meiner Lehre zielen auf eine Koppelung von sozialwissenschaftlicher Theoriebildung und empirisch basierter Anwendungsorientierung ab. Entsprechend geht es darum, sozialwissenschaftliche Theorien und Modelle im Hinblick auf ihren Transfer in die Praxis zu betrachten und zu erörtern. Beispielsweise werden die Seminarinhalte aus den Fragen der praktischen Evaluationsarbeit wie auch aus aktuellen Forschungsprojekten generiert.
WiHo-Redaktion: Zum Status quo der WiHo-Forschung in Deutschland: Worin ist sie gut? Was fehlt ihr noch?
Schmidt: Mit Blick auf die Wissenschaftsforschung ist vielleicht ihre vergleichsweise starke Bindung an theoretische Paradigmen als eine Stärke zu nennen. Im Bereich der Hochschulforschung lassen sich gewisse Stärken im Bereich der Governance-Forschung ausmachen. Insgesamt fehlt es aber an einer empirisch fundierten Forschung, die Zusammenhänge und Fragen ihrer Wirkung und Interventionen erklärt. Stattdessen wird eine erhebliche Menge an deskriptiven Daten produziert, die zum Teil nur einen bedingten Mehrwert liefern.
WiHo-Redaktion: Wo sehen Sie Deutschland in der WiHo-Forschung im internationalen Vergleich? Was könnten wir von welchen Ländern lernen?
Schmidt: Die WiHo-Forschung ist in Deutschland insgesamt schwach institutionalisiert und ihr fehlt es an einer gewissen Tradition und Anschlussfähigkeit. Zudem – und hier würde ein Blick in den anglo-amerikanischen Raum helfen – gibt es eine vergleichsweise starke Trennung der Schul- und Bildungsforschung auf der einen und der Hochschulforschung auf der anderen Seite. Innerhalb der Hochschulforschung wiederum lassen sich weitgehend unabhängig Diskurse einer allmählich wachsenden empirischen Hochschulforschung und z. B. hochschuldidaktischer Forschung beobachten. In diesen Bereichen mehr Anschlussfähigkeit herzustellen, könnte lohnend sein.
WiHo-Redaktion: Was sind aus Ihrer Sicht die zentralen Themen der kommenden Jahre in der WiHo-Forschung?
Schmidt: Die zentralen Themen sind bereits aktuell angelegt: die Betrachtung von Wirkungen z. B. im Hinblick auf die zunehmende Projektsteuerung in Hochschulen oder die Betrachtung von Governance und Organisationsentwicklung in Hochschulen und natürlich die Studienerfolgsforschung – ergänzt durch eine empirisch orientierte hochschuldidaktische Forschung.