Lehre als Lernen aus Fehlern
Philipp Pohlenz hat seit Januar 2014 die Professur für Hochschulforschung und Professionalisierung der akademischen Lehre an der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg inne. In seiner Arbeit geht es um die Verzahnung von Hochschulforschung und Strukturentwicklung mit dem Aufbau von hochschuldidaktischen Austausch- und Weiterbildungsangeboten.
WiHo-Redaktion: Wie kam es, dass Sie sich mit Wissenschafts- und Hochschulforschung beschäftigt haben? Wurden Sie durch ein bestimmtes Ereignis oder eine besondere Erfahrung dazu bewogen?
Pohlenz: Als besonderer Lebensraum oder „Soziotop“ hat sich das Interesse an Hochschulen bereits während meines Studiums der Soziologie ergeben. Meine Tätigkeiten – zunächst als studentischer und dann als wissenschaftlicher Mitarbeiter – im Bereich Qualitätsmanagement und Evaluation von Studium und Lehre taten ein Übriges.
WiHo-Redaktion: Was ist Ihr derzeit zentrales Forschungsprojekt und und welche gesellschaftliche Bedeutung schreiben Sie ihm zu?
Pohlenz: Es geht um den Aufbau eines Studierendenpanels zur Abbildung von Studienbiografien. Dabei erheben wir Daten zu studentischen Qualitätseinschätzungen über Lehre und Studium im zeitlichen Längsschnitt. Die erhobenen Daten geben den Fachbereichen Auskunft über Weiterentwicklungsmöglichkeiten des Lehrplans. Aus Forschungssicht ist die Längsschnitt- und damit die bildungsbiografische Perspektive besonders aufschlussreich um zu erfahren, wie studentische Einstellungen zustande kommen und sich verändern.
WiHo-Redaktion: Worauf legen Sie bei der Lehre besonderen Wert?
Pohlenz: In meinem Team schaffen wir Gelegenheiten für studentisches Forschen in angeleiteter Eigenverantwortung. Es geht um das Lernen aus Fehlschlägen und die Entwicklung einer Fehlertoleranz.
WiHo-Redaktion: Wie generieren Sie neue Seminarinhalte/Vorlesungsthemen?
Pohlenz: Es gilt, Zusammenhänge zwischen aktuellen gesellschaftlichen Fragestellungen und Phänomenen (z. B. demografischer Wandel oder die „Algorithmisierung“) sowie ihrer sozialwissenschaftlichen, aber auch interdisziplinären Theoretisierung herzustellen.
WiHo-Redaktion: Zum Status quo der WiHo-Forschung in Deutschland: Welche positiven Entwicklungen gibt es? Wo sehen Sie noch Handlungsbedarf?
Pohlenz: Die WiHo-Forschung in Deutschland ist thematisch sehr breit aufgestellt. Das ist ein großer Vorteil. Gleichzeitig entsteht aber der Eindruck, dass sich noch eine übergreifende Forschungsagenda etablieren muss, die nicht allein von den Diskursen in den Bezugsdisziplinen (Soziologie, Pädagogik, Geschichte, Ökonomie, Psychologie etc.) angetrieben wird.
WiHo-Redaktion: Was sind aus Ihrer Sicht die zentralen Themen der kommenden Jahre in der WiHo-Forschung?
Pohlenz: Die langfristigen Folgen der Digitalisierung für die Entwicklung der Wissensgesellschaft (z. B. Automatisierung und Algorithmisierung von vormaliger Wissensarbeit) sind noch nicht abzusehen. Die WiHo-Forschung wird sich mit folgenden Fragen beschäftigen müssen: Wie werden die Wissensproduktion sowie die Kommunikation über Wissen in den nächsten 20 Jahren aussehen? Welche Bedeutung und gesellschaftliche Legitimität haben wissenschaftliches Wissen und dessen Institutionalisierungsformen? Welche neuen Konkurrenzverhältnisse entstehen im Wissenschaftssystem und wie wird es sich verändern?