Innovationsförderung durch Innovationsforschung
Marion Weissenberger-Eibl leitet das Frauenhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI). Seit 2013 ist sie Inhaberin des Lehrstuhls Innovations- und TechnologieManagement am Institut Entrepreneurship, Technologie-Management und Innovation am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Entstehungsbedingungen von Innovationen und deren Auswirkungen, dem Innovationsmanagement sowie der strategischen Technologie-Vorausschau und -Planung.
WiHo-Redaktion: Was würden Sie als Mission Ihres Instituts ansehen?
Marion Weissenberger-Eibl: Die Mission des Fraunhofer ISI besteht darin, die Entstehungs- und Rahmenbedingungen von Innovationen zu erforschen und das hierbei erlangte Wissen politischen und wirtschaftlichen Akteuren zugänglich zu machen. So fördern wir Innovationen und helfen mit, die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland zu verbessern. Zu unserer Aufgabe gehört aber auch, der Öffentlichkeit unsere Forschungsergebnisse zu vermitteln. Aktuelle Forschungsthemen des Fraunhofer ISI – wie die Digitalisierung, Industrie 4.0, die Energiewende oder Datenschutz – bewegen derzeit viele Menschen.
WiHo-Redaktion: Welche Aktivitäten Ihres Instituts wurden in den letzten Jahren in der wissenschaftlichen Community bzw. in der Öffentlichkeit besonders wahrgenommen?
Marion Weissenberger-Eibl: Bei über 400 Forschungsprojekten im Jahr gibt es hier viele Beispiele. Daher beschränke ich mich auf Forschungsaktivitäten der jüngeren Vergangenheit, die sowohl in der Wissenschaft als auch in der Öffentlichkeit große Beachtung fanden: So stieß eine Studie auf großes Interesse, die sich mit den wirtschaftlichen Vorteilen für Deutschland durch die Elektromobilität befasste. Eine weitere, vielbeachtete Studie setzte sich mit der digitalen Infrastruktur in Deutschland und besonders dem geringen Anteil an Glasfaser-Internetverbindungen auseinander. Großes Echo erzielte zudem unser jährlich durchgeführtes Innovationsranking, der Innovationsindikator, der sich mit der Innovationsfähigkeit Deutschlands und anderer Länder befasst.
WiHo-Redaktion: Zum Status Quo der WiHo-Forschung in Deutschland: Worin ist sie gut? Was fehlt ihr noch?
Marion Weissenberger-Eibl: Ich denke die WiHo-Forschung ist in Deutschland gut aufgestellt. Es ist auch ihr zu verdanken, dass die Themen Bildung, Forschung und Entwicklung als zentral für einen Innovations- und Wirtschaftsstandort wie Deutschland angesehen werden und diesen umfassend prägen. Auch viele Unternehmen haben die Bedeutung der Forschung mittlerweile erkannt und setzen auf eigene F&E-Abteilungen oder kooperieren mit Einrichtungen wie dem Fraunhofer ISI, weil sie dadurch Wettbewerbsvorteile auf hart umkämpften Märkten erlangen. Was vielleicht noch fehlt, ist eine stärkere Auseinandersetzung damit, wie sich die Rahmenbedingungen für Forschung in den vergangenen 10 bis 15 Jahren verändert haben und wie sie sich verbessern lassen. Um ein konkretes Beispiel zu nennen: Wir beobachten eine starke Zunahme von Studierenden, die jedoch nicht zwingend zu einer Erhöhung des Lehrpersonals und einer besseren finanziellen Ausstattung von Forschungseinrichtungen und Universitäten geführt hat. Hier gilt es anzusetzen, damit Deutschland international nicht zurückfällt.
WiHo-Redaktion: Was sind aus Ihrer Sicht die zentralen Themen der kommenden Jahre in der WiHo-Forschung?
Marion Weissenberger-Eibl: Ein wichtiges Thema der kommenden Jahre wird sicherlich das Thema der weiteren Verknüpfung von Forschung, Lehre und benötigten Berufsqualifikationen sein. Dabei sollte insbesondere letzterem Punkt mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden als bisher, also wie gut wissenschaftliche Ausbildung darin ist, die im Berufsleben wichtigen Qualifikationen zu liefern. Dies gilt gerade im Kontext steigender Studierendenzahlen, die zwar insgesamt zu begrüßen sind, jedoch auch die Frage aufwerfen, welche Berufe tatsächlich einen Studienabschluss erfordern und welche nicht. So wirkt sich zum Beispiel ein hoher Anteil von Hochschulabsolventen auf deren spätere Gehälter aus. Aus diesem und vielen anderen Gründen müssen wir die Forschung bezüglich des Zusammenhangs zwischen Hochschulausbildung und Beruf genauer untersuchen.
WiHo-Redaktion: Was hat Sie seinerzeit besonders daran gereizt, die Leitung dieses Instituts zu übernehmen?
Marion Weissenberger-Eibl: An meiner Arbeit am Fraunhofer ISI reizt mich besonders die Verknüpfung von wissenschaftlicher Forschung und praktischer Anwendung. Unsere Forschungserkenntnisse fließen in den Arbeitsalltag von Unternehmen ein und verbessern deren Abläufe und Strukturen oder stärken sie im Hinblick auf ihre strategische zukünftige Ausrichtung. Auch finde ich spannend, dass viele unserer innovationspolitischen Empfehlungen direkt von der Politik aufgegriffen werden, um etwa bessere Rahmenbedingungen für Innovationen zu schaffen.
WiHo-Redaktion: Gegenwärtig ist ein starker Trend zur Aufnahme eines Studiums zu verzeichnen. Auch die Anzahl der Studiengänge ist in den letzten Jahren rasant gestiegen. Können Sie diese Entwicklung als Wissenschafts- und Hochschulforscherin erklären?
Marion Weissenberger-Eibl: Hierfür gibt es diverse Gründe. Zunächst einmal ist zu konstatieren, dass die Absolvent*innenzahl des Abiturs, das zur Aufnahme eines Studiums befähigt, stark zugenommen hat. Dies ist wiederum dadurch erklärbar, dass viele Eltern selbst ein Abitur oder ein Studium absolviert haben und auch ihren Kindern diese Möglichkeit bieten möchten. Der Trend zur Aufnahme eines Studiums liegt aber auch darin begründet, dass in der beruflichen Praxis immer häufiger ein Studienabschluss gefordert wird – auch für Berufe, für die das früher nicht der Fall war. Die steigende Zahl von Studierenden und Studiengängen ist aber auch den diversifizierten und komplexeren Karriere- und Lebenswegen junger Menschen geschuldet, die heute weitaus häufiger als früher ihren Beruf wechseln oder sich teilweise beruflich völlig umorientieren.