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„Distanzierte Affinität“ zur Hochschule

Prof. Dr. Peer Pasternack ist Direktor des Instituts Hochschulforschung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und lehrt im Fach Soziologie. Als Forschungsschwerpunkte nennt er Bildung und Wissenschaft in demografisch herausgeforderten Regionen, Hochschulpolitik, Hochschulorganisation, Qualitätssicherung und -entwicklung, akademische Bildung sowie Wissenschaftszeit­ge­schich­te.

WiHo-Redaktion: Was ist derzeit Ihr zentrales Forschungsprojekt und welchen gesellschaftlichen Bezug hat es?
Pasternack: Ich betreibe aktuell zehn Projekte, es waren auch schon einmal fünfzehn - und gesund wären drei bis vier. „Zentral“ kann davon keines sein, aber mehrere gruppieren sich um Themen der Wissenschafts-, Bildungs- und Hochschulentwicklung in regionalen Kontexten. Dabei geht es übergreifend um die Frage, wie Wissen(schaft)sentwicklungen, die naturgemäß nicht regionalisiert sind, regional wirksam werden können.

WiHo-Redaktion: Wie kam es, dass Sie sich mit Wissenschafts- und Hochschulforschung beschäftigt haben? Gab es ein zentrales Ereignis oder eine bestimmte Erfahrung?
Pasternack: Ich hatte Studentenpolitik gemacht und daher kaum Zeit zum Studieren. Es mussten aber Seminararbeiten geschrieben werden. Also schrieb ich sie möglichst immer zum einzigen Thema, von dem ich auch ohne Studieren Ahnung zu haben meinte: Hochschulfragen. Daraus folgte naheliegenderweise das Diplomthema, daraus die Dissertation usw. Die wichtigste Erfahrung, die dabei zu machen war: Ähnlich wie z.B. Verkehrsunfallforscher keine Sympathie für Verkehrsunfälle haben sollten, dürfen Hochschulforscher eine nur distanzierte Affinität zu ihrem Gegenstand haben.

WiHo-Redaktion: Welche inhaltlichen Schwerpunkte zeichnet Ihre Lehre aus?
Pasternack: Es geht meist um Hochschulorganisation. Da die Studierenden nicht Hochschulforschung, sondern Soziologie studieren, werden sie damit gelockt, dass sie sich in meinen Veranstaltungen die Fertigkeiten zur Analyse einer ‚schwierigen‘ Organisation aneignen können. So erscheint ihnen danach die Analyse – oder im praktischen Kontext: das Durchschauen – (fast) aller anderen Organisationen nicht so schwierig, also kinderleicht.

WiHo-Redaktion: Wie generieren Sie neue Seminarinhalte?
Pasternack: Indem ich mich – in den Grenzen der Modularchitektur – frage, welches Thema ich zwar gerade gern bearbeiten würde, aber keine Zeit dafür habe. Die Lehrveranstaltung zwingt mich dann dazu, die Zeit zu haben.

WiHo-Redaktion: Zum Status Quo der WiHo-Forschung in Deutschland: Worin ist sie gut? Was fehlt ihr noch?
Pasternack: Sie ist ungefähr so gut wie ihre Ausstattung. Und ihre Ausstattung ist bescheiden. Was vor allem fehlt, sind institutionell abgesicherte Perspektiven für den Nachwuchs. Solange sich daran nichts ändert, wird es bei der hohen Fluktuation bleiben, die eine epistemische Stabilisierung des Forschungsfelds verhindert.

WiHo-Redaktion: Was sind aus Ihrer Sicht die zentralen Themen der kommenden Jahre in der WiHo-Forschung?
Pasternack: Zum ersten Digitalisierung – die mehr ist als OER und MOOCs: Wissensproduktion von der Informationsbeschaffung über deren Auswertung bis zur Da­tenver­wal­tung und -analyse (dabei braucht es vor allem digitale Instrumente, die vom Nutzer her gedacht sind), Kommunikation von Wissen in Kooperationen (nicht zuletzt über die Wissenschaft hinaus) und interaktive Publikationsformen. Zum zweiten wird die Wissenschaftsorganisation zentral sein, also die Institutionalisierungsformen der Wissenschaft und deren technische Ausstattung – dies vor dem Hintergrund, wie es der Wissenschaft gelingen wird, an der Bewältigung der grand challenges mitzuwirken.