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Gemeinsam erfolgreich im WiHo-Graduiertenkolleg

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Promovierende und Postdocs profitieren gleich in mehrfacher Hinsicht von Graduiertenkollegs: Sie bieten ein interdisziplinäres Arbeitsumfeld und begleitende Kursprogramme und ermöglichen den regelmäßigen Austausch mit anderen Nachwuchsforschenden und Betreuenden. Im Rahmen des Graduiertenkollegs hat das BMBF zehn Promovierende und drei Postdocs an drei unterschiedlichen Universitäten unterstützt, die zu den Themenfeldern Wissenschaftsmanagement und Wissenschaftskommunikation geforscht haben. Im Interview berichten drei Teilnehmende, wie sie die Zusammenarbeit über drei Universitätsstandorte hinweg erlebt haben.

Ursula Müller arbeitet als Dekanatsreferentin an der Hochschule für Technik Stuttgart. In Ihrer Doktorarbeit hat sich die 42-Jährige mit dem Thema „Hochschulische Informationsinfrastruktureinheiten und deren Zusammenarbeit unter Digitalisierungs- und Pandemie-Bedingungen“ beschäftigt. Im August 2023 hat sie ihre Arbeit abgegeben und im Februar 2024 erfolgreich verteidigt.

Frau Müller, wie haben Sie vom Graduiertenkolleg profitiert?

Es hat mir vor allem während der Corona-Zeit sehr viel Halt gegeben, diese Gruppe mit anderen Promovierenden zu haben. Wir hatten schon alleine aufgrund der drei Standorte von Anfang an virtuelle Teamstrukturen, an die wir problemlos anknüpfen konnten. Das Wichtigste war für mich, dass ich immer gezwungen war, fast wöchentlich den Fortgang der eigenen Arbeit zu skizzieren und mein Thema vorzustellen. Da eiert man anfangs noch ziemlich rum, ist aber immer wieder gezwungen, die Dinge auf den Punkt zu bringen. Das hat mir total geholfen, mein Thema schnell einzugrenzen. Zudem hat mir das Graduiertenkolleg durch die berufsbegleitende Finanzierung die Möglichkeit eröffnet, 50 Prozent der Zeit wirklich für meine Promotion zu verwenden.

Sie haben dann ja auch in relativ kurzer Zeit promoviert?

Ja, die eigentliche Kopfarbeit hat letztendlich nicht länger als zwei Jahre gedauert. Ich bin zum Glück nie falsch abgebogen oder habe mich in einem Aspekt meines Themas völlig verloren. Das hätte die Struktur auch gar nicht zugelassen, weil man auch immer im engeren Austausch stand, mit den anderen Promovierenden und dem eigenen Doktorvater. Ich empfehle auch jedem, möglichst früh mit dem Schreiben der Doktorarbeit zu beginnen.

Wie haben Sie den Austausch mit den anderen Doktorandinnen und Doktoranden erlebt?

Wir haben uns in virtuellen Untergruppen organisiert, etwa zu unterschiedlichen Untersuchungsmethoden. Das Angebot war da sehr vielfältig. Wir hatten dann nach dem Lockdown auch Kolleg-Wochen vor Ort, wo wir uns persönlich kennenlernen konnten. Das war alles in allem ein sehr kollegialer und freundschaftlicher Austausch. Da war nichts von Konkurrenzdenken oder Neid zu spüren. Das lag vermutlich auch daran, dass wir alle schon ein bisschen älter waren und schon eine gewisse Berufserfahrung mitgebracht haben. Zudem war die Themenvielfalt so groß, dass da jeder schon auf seiner Spur unterwegs war. So kamen wir uns auch thematisch nicht in die Quere.

Mit welchem Thema haben Sie sich in Ihrer Promotion beschäftigt?

Ich habe am Beispiel mehrere Hochschulen in Baden-Württemberg untersucht, wie sich die Zusammenarbeit der Rechenzentren, Bibliotheken und Medienzentren seit 2005 digitalisierungsbedingt und insbesondere vor dem Hintergrund der Corona-Krise verändert hat. Im Fokus stand, wie sich die aufgabenbezogene Arbeitsteilung entwickelt hat und wie die Akteurinnen und Akteure dieser drei Bereiche miteinander interagieren und kommunizieren. Dabei habe ich sowohl die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Hochschulen als auch hochschulintern betrachtet.

Was sind Ihre zentralen Erkenntnisse?

Die Bibliotheken der Hochschulen hatten schon vor der Corona-Pandemie ein gut funktionierendes Netzwerk, auf dem sie aufbauen konnten. Zwischen Rechenzentren und Medienzentren gab es dagegen kaum Austausch. Im Bereich der Rechenzentren war die Corona-Zeit dann auch ein Beschleuniger für Kooperationen zwischen den Hochschulen. Was die hochschulinterne Zusammenarbeit anbetraf, gab es in Baden-Württemberg 2005 eine Gesetzesnovelle, die eine Fusionierung der drei Einheiten zu einem gemeinsamen Informationszentrum vorsieht. Ich habe jedoch herausgefunden, dass der Großteil der Hochschulen dies auch fast 20 Jahre später noch nicht umgesetzt hat.

Wie ist es nach der Promotion für Sie weitergegangen?

Ich bin Wissenschaftsmanagerin mit Leib und Seele. Schon in meiner Diplomarbeit habe ich mich mit Hochschulforschung beschäftigt. Da habe ich untersucht, wie das deutsche und das englische Hochschulsystem vom amerikanischen System beeinflusst werden, etwa bei der Einführung der Juniorprofessur oder der Exzellenzinitiative. Ich habe danach mehrere Stationen im Management an Hochschulen durchlaufen und arbeite seit 2017 als Dekanatsreferentin. Da kann ich viele meiner beruflichen Interessen einbringen und weiterverfolgen. Das macht mir großen Spaß.

Sebastian Gallitschke ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin. In seiner Dissertation beschäftigt sich der 34-Jährige mit den Ursachen und Folgen von Kooperationen zwischen Hochschulen in der Promovierendenförderung.

Herr Gallitschke, wie sind Sie auf die Idee gekommen, sich für das Graduiertenkolleg zu bewerben?

Den Plan zu promovieren hatte ich eigentlich schon direkt nach der Masterarbeit. Dass es dabei in Richtung Hochschulforschung gehen sollte, war da auch klar, weil ich mich damit bereits zuvor beschäftigt hatte. Ich wollte zudem nicht direkt nach dem Studienabschluss loslegen und habe erst einmal Praxiserfahrungen im Hochschulmanagement gesammelt. Da kam die Ausschreibung für das Graduiertenkolleg mit der berufsbegleitenden Perspektive natürlich gerade recht. Da ich zu der Zeit bereits in der Nachwuchsförderung gearbeitet habe, lag das Thema auch auf der Hand.


Mit welchem Thema haben Sie sich für das Graduiertenkolleg beworben?

In meiner Dissertation habe ich die Ursachen und Folgen von Kooperationen zwischen Hochschulen bei der Förderung von Promovierenden erforscht. Gemeint sind damit Unterstützungsstrukturen, die Doktorandinnen und Doktoranden auf der gesamten Hochschulebene zur Verfügung stehen, wie Weiterbildungs- und Beratungsangebote. Es gibt bislang noch nicht viele Kooperationen in diesem Bereich. Aber ich habe einen allgemeinen Trend zu einer stärkeren hochschulübergreifenden Zusammenarbeit feststellen können, auch bei der Promovierenden-Förderung.

Woran liegt das?

Die Hochschullandschaft hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Da spielen höhere Effizienzerwartungen eine Rolle, aber auch der gestiegene Wettbewerbsdruck, der beispielsweise in internationalen Rankings zum Ausdruck kommt. Es ist ja auch Teil der Exzellenzinitiative, Profile herauszubilden. Das führt unter anderem dazu, dass Kooperationen als adäquate Antwort auf diese Entwicklung verstanden werden. Mehr Wettbewerb führt in diesem Fall zu mehr Zusammenarbeit, weil man sich im Verbund besser positionieren kann. Zudem konnte ich beobachten, dass von den Hochschulen selbst stärker erwartet wird, die Promovierenden-Förderung voranzubringen und Qualitätsstandards zu setzen. Dabei muss nicht jede Kooperation automatisch erfolgreich sein.

Wie haben Sie das Graduiertenkolleg erlebt?

Ich habe daraus enorm viel mitnehmen können. Aus meiner Beratungstätigkeit wusste ich ja schon, wie schwierig es ist, wenn Unterstützungssysteme fehlen, die Finanzierung fehlt, aber auch das Netzwerk. Gerade diesen Austausch mit den anderen Kollegiaten und anderen Experten habe ich als extrem bereichernd erlebt. Beginnend bei den Fachgesprächen, wo wir uns getroffen haben, den so genannten Kaminabenden, bis hin zu den Kolleg-Wochen, zu denen Gastwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler geladen waren. Da gab es einige Vorträge, die mich die ganze Zeit über begleitet haben, weil sie so anregend waren. Aber auch von den einzelnen Workshops, etwa zu wissenschaftlichem Schreiben oder Projektmanagement, zehre ich bis heute. Das hat mir sehr geholfen, die richtige Balance zwischen Berufsleben und Promotion zu finden.

Wie geht es jetzt für Sie weiter?

Ich befinde mich zurzeit auf der Zielgeraden. Der Plan ist, meine Promotion bis Mitte des Jahres einzureichen. Zugleich bin ich an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Humboldt-Universität in der wissenschaftlichen Nachwuchsförderung tätig. Diese Anstellung hatte ich schon vor Beginn meiner Promotion. Bei meiner beruflichen Arbeit profitiere ich natürlich jetzt auch von den Erfahrungen im Graduiertenkolleg.

Was empfehlen Sie anderen Promovierenden?

Man sollte sich auf jeden Fall schon frühzeitig darüber im Klaren sein, welches Ziel man mit der Promotion verfolgt. Strebt man eine wissenschaftliche Karriere an oder will man in der Praxis bleiben. Und ganz wichtig: immer den Austausch mit anderen Promovierenden suchen. Das sind Leidensgenossen, die mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben. Promovierende können sich auch jenseits von Kollegs ein solches Netzwerk aufbauen. Dieser intensive Austausch gehört zu den schönen Seiten einer Promotion, mit Leuten zu diskutieren, die ähnlich tief eintauchen in ihr Thema wie man selbst.

Alexander Chmelka ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Gesellschaftswissenschaften an der Otto von Guericke Universität Magdeburg. Seine Dissertation zum Thema Engaged Learning" hat der 33-Jährige Ende Mai erfolgreich verteidigt.

Herr Chmelka, wie sind Sie auf die Idee gekommen, sich für das Graduiertenkolleg zu bewerben?

Ich habe in Halle an der Saale Soziologie und Philosophie studiert und danach in Magdeburg einige Zeit außerhalb der Wissenschaft gearbeitet. Ich hatte schon die Idee zu promovieren, konnte mir das aber berufsbegleitend nicht vorstellen. Als ich dann die Ausschreibung zum Graduiertenkolleg gesehen habe, habe ich mir gedacht, dass das Thema Wissenschaftsmanagement und -kommunikation gut zu mir passt. Und dann habe ich mich beworben und hatte Erfolg.

Mit welcher Idee haben Sie sich beworben?

Ich wollte mich mit der bürgerschaftlich engagierten Lehre auseinandersetzen. Das heißt, dass man nicht nur im Seminar an Theorie und Wissen arbeitet, sondern auch außerhalb der Hochschule Probleme identifiziert und dann vor Ort Partnerschaften und Kooperationen aufbaut, die auch lange über das Seminar hinaus tragfähig sind. Ich habe zum Beispiel ein Projekt forschend begleitet, in dem Studierende Leerstände in der Magdeburger Innenstadt zwischengenutzt haben, um Kunst- und Kulturschaffenden Freiräume für Ausstellungen, Konzerte und Workshops bereitzustellen. Den Begriff engaged learning, der das beschreibt und mit dem ich mich auch in meiner Dissertation auseinandersetze, habe ich dann zum ersten Mal im Kolleg kennengelernt.

Wie ist das Kolleg für Sie abgelaufen?

Wir konnten noch ein Präsenztreffen in Speyer abhalten, dann sind wir im Frühjahr 2020 in die Corona-Pandemie geschlittert und haben uns vor allem online in unterschiedlichen Konstellationen getroffen. Dieser Austausch, auch mit anderen Promovierenden, war sehr wichtig für mich. Und dann hat mir natürlich auch sehr geholfen, dass ich einen festen Stellenanteil hatte, der mir meinen Lebensunterhalt gesichert hat. So konnte ich konzentriert forschen.

Was sind die zentralen Erkenntnisse Ihrer Arbeit?

Die aktuelle Definition von engaged learning verfolgt eine Art Idealbild. Doch vor allem die gleichberechtigen Partnerschaften auf Augenhöhe der Studierenden zu anderen Akteuren habe ich so nicht erlebt. Es gibt durchaus ein Hierarchiegefälle zu Professoren, zu außerakademischen Akteuren, dass die Studierenden nicht ernst genommen werden. Ich habe dann in meiner Definition unter anderem herausgearbeitet, dass gerade die Konflikte in diesen nicht immer harmonisch ablaufenden Partnerschaften für die Entwicklung der Studierenden wichtig sind.

Und wie geht es jetzt für Sie weiter?

Ich bleibe in der Wissenschaft. Ich wurde angefragt, in einem ehemaligen Industriehafen in Magdeburg eine Art kulturgetriebene Regeneration eines strukturschwachen Raums mit voranzutreiben. Und meine konkrete Aufgabe wird sein, eine interdisziplinäre Studierendenagentur in diesem Hafen aufzubauen, die neue Partizipations-, Kommunikations- und Interaktionsformate zur Gestaltung urbaner Räume entwickelt, testet und evaluiert. Wie das genau aussehen kann, werden wir dann in der nächsten Zeit entwickeln.