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Sind (angehende) Lehrer und Lehrerinnen gut auf eine sprachlich heterogene Schülerschaft vorbereitet?

Im Projekt „DaZKom – Professionelle Kompetenzen angehender Lehrer und Lehrerinnen (Sek I) im Bereich Deutsch als Zweitsprache (DaZ)“ wurde ein theoretisches Kompetenzmodell für den Bereich DaZ-Kompetenzen angehender Lehrkräfte entwickelt. Darauf aufbauend wurde im Projekt „DaZKom-Video“ ein Testformat zur performanznahen Messung von DaZ-Kompetenzen auf der Basis von Videos mit Unterrichtssituationen entwickelt. Im Interview spricht das Projektteam über das Projekt und die erzielten Ergebnisse.

In dem im BMBF-Förderschwerpunkt „Wissenschafts- und Hochschulforschung“ geförderten Projekt „DaZKom – Professionelle Kompetenzen angehender Lehrer und Lehrerinnen (Sek I) im Bereich Deutsch als Zweitsprache (DaZ)“ (Förderlinie KoKoHs I) wurde ein theoretisches Kompetenzmodell für den Bereich DaZ-Kompetenzen angehender Lehrkräfte entwickelt und mit Hilfe eines Tests (paper-pencil) empirisch messbar gemacht. Darauf aufbauend wurde im Projekt „DaZKom-Video“ (Förderlinie KoKoHs II) ein innovatives Testformat zur performanznahen Messung von DaZ-Kompetenzen auf der Basis von Videos mit DaZ-relevanten Unterrichtssituationen entwickelt. Zusammen geben die Befunde der beiden Projekte Aufschluss über die professionellen Kompetenzen angehender Lehrer und Lehrerinnen im Bereich Deutsch als Zweitsprache. Im Interview spricht das Projektteam über das Projekt und die erzielten Ergebnisse.

WiHo-Redaktion: In Ihrem Projekttitel sprechen Sie von „Deutsch als Zweitsprache-Kompetenzen“ von (angehenden) Lehrkräften. Worum genau geht es dabei?

Module im Bereich „Deutsch als Zweitsprache“ sind inzwischen in den Curricula der meisten Bundesländer für Lehramtsstudierende aller Unterrichtsfächer Pflicht. Schon lange davor hatten administrative Zielsetzungen – leider weitgehend erfolglos - festgelegt, dass sich nicht nur Deutsch-Lehrkräfte für Sprachförderung verantwortlich fühlen. Zu jedem Fachunterricht – sei es Mathematik, Sozialkunde oder auch Musik - gehört auch immer eine gezielte Sprachbildung. Dabei geht es nicht nur um die Vermittlung von Fachbegriffen, sondern um einen speziellen Sprachgebrauch, der sich von dem im Alltag deutlich unterscheidet.
Ein Beispiel: Der simpel erscheinende Operator „begründen“ meint im Gesellschaftslehreunterricht etwas völlig anderes als im Mathematikunterricht. Solche fachspezifischen Wörter, aber auch ganze Satzstrukturen, sind insbesondere für Schüler und Schülerinnen, deren Erstsprache nicht Deutsch ist, besonders schwierig. Darüber müssen Fachlehrkräfte Bescheid wissen und lernen, wie sprachsensibles Unterrichten aussieht.
Übrigens:
Dass Schüler und Schülerinnen, deren Lehrende im sprachsensiblen Unterrichten hochkompetent sind, höhere Leistungen erzielen, kann als wissenschaftlich belegt angesehen werden. Dies stützt nachdrücklich unseren in den Projekten DaZKom und DaZKom-Video verfolgten Ansatz.

WiHo-Redaktion: Können Sie an einem Beispiel veranschaulichen, welche Bedeutung Sprachfähigkeiten für Erfolge mehrsprachiger Kinder im Fachunterricht hat?

Ein Mini-Experiment verdeutlicht das: In welcher Fremdsprache sind Sie richtig gut? Beschreiben Sie in dieser Sprache, wie Sie bei der Lösung der folgenden Mathematikaufgabe vorgehen. Beschreiben Sie Ihren Lösungsweg, aber auch die einzelnen Lösungsschritte in dieser Sprache. Die Aufgabe: Eine Erbschaft von 52.000 € soll unter zwei Erben so verteilt werden, dass der jüngere Erbe einen dreimal so großen Erbteil bekommt wie der ältere Erbe. Wie groß ist der kleinere Erbanteil in Euro?

WiHo-Redaktion: Gar nicht so leicht…

Genau! Sie werden nicht nur Lücken in Ihrem Fachwortschatz feststellen, sondern auch mit grammatischen Strukturen (u.a. Satzbau, Beugungsendungen von Verben, Nomen und Adjektiven) zu kämpfen haben. An Ihren Lösungsversuchen ist wahrscheinlich zu erkennen, dass Ihre Schwierigkeiten nicht auf fehlendes mathematisches, sondern linguistisches Können zurückzuführen sind:  Denn solche Fachkontexte erfordern einen präzisen Sprachgebrauch und komplexe sprachliche Strukturen. Deswegen ist es so wichtig, dass z.B. auch Lehrkräfte des Faches Mathematik (und aller anderen Fächer) ihren Unterricht sprachsensibel gestalten. Dazu gehört auch, dass sie erkennen, ob etwaige Probleme der Schüler und Schülerinnen auf sprachliche oder fachliche – in unserem Beispiel mathematische - Defizite zurückzuführen sind.

WiHo-Redaktion: Ihr Projekt schaut also darauf, wie gut (angehende) Lehrkräfte darüber schon Bescheid wissen?

Genau. Mit dem Test, den wir entwickelt haben, können wir messen, was sie nach Absolvierung der DaZ-Module diesbezüglich können. Im ersten Projekt („DaZKom“) wurde ein reliables und valides Instrument entwickelt, mit dem getestet werden kann, welche Kompetenzen Lehramtsstudierende und Lehrkräfte aller Fächer im Hinblick auf sprachliche Bildung entwickelt haben. Unser zweites Projekt (DaZKom-Video) nimmt insbesondere die höheren Niveaustufen in den Blick. Mithilfe von Videos von Unterrichtssituationen kann hier sehr realitätsnah getestet werden.

WiHo-Redaktion: Die Hochschulpolitik und auch das Hochschulmanagement „vor Ort“ sind auf Impulse aus der Forschung über Hochschulen angewiesen. Gibt es ein Ergebnis Ihres Projekts, das für diese Akteure interessant sein könnte?

Ein wichtiges Ergebnis ist, dass innerhalb der Lehrkräfteausbildung mit den vorhandenen Modulen die Lerngelegenheiten im Bereich DaZ noch nicht ausreichen. Denn das Ziel ist es, durchgehend hohe DaZ-Kompetenzen bei Lehramtsstudierenden zu erzielen und damit zu sichern, dass sie zukünftig alle Schüler und Schülerinnen angemessen bzw. bestmöglich in ihrem schulischen Lernen unterstützen können.

WiHo-Redaktion: Wäre damit eine bestimmte konkrete „Handlungsempfehlung“ verbunden?

Ja, natürlich. Eine Optimierung der Lehrkräfteausbildung ist dringend notwendig. Bei unserem Test schneiden die meisten Studierenden leider unter dem sogenannten Regelstandard ab, und auch viele erfahrene Lehrkräfte bräuchten diesbezüglich noch Unterstützung. Um dies zu erreichen, ist es wichtig, zunächst die universitären Lerngelegenheiten, aber auch die Fort- und Weiterbildungsangebote für Lehrkräfte zu evaluieren und kontinuierlich zu verbessern. Wir entwickeln im Rahmen des Projektes Fortbildungen, mit denen die Kompetenzen für sprachsensibles Unterrichten gesteigert werden können.

WiHo-Redaktion: Der Dissemination der Forschungsergebnisse wird eine immer höhere Bedeutung in der Forschungsförderung generell beigemessen. Was haben Sie bislang unternommen, um Ihre Ergebnisse bei den unterschiedlichen Adressaten bekannt zu machen?

Eine ganze Menge. Seit 2015 haben wir an vielen deutschen Universitäten und in Kooperation mit Kollegen und Kolleginnen anderer Länder (Finnland und USA) die Lerngelegenheiten von Lehramtsstudierenden im Bereich DaZ (oder der jeweiligen Sprache) getestet. Das Projekt hat auf diese Weise an vielen Standorten als Impulsgeber gewirkt: So werden in der Lehrkräfteausbildung die entsprechenden Lehrangebote verbessert und dem sprachsensiblen Unterrichten wird ein höherer Stellenwert eingeräumt.

WiHo-Redaktion: Die Projekte DaZKom und DaZKom-Video sind offenbar auch international auf Interesse gestoßen? Wie kamen diese Auslandskontakte zustande?

Die Projekte haben international viel positives Feedback bekommen. Das liegt auch daran, dass in unserer Förderlinie KoKoHs durch die vom BMBF geförderte Koordinierungsstelle von Anfang an kontinuierlich der internationale Austausch gefördert wurde. Dafür haben wir uns entsprechend auf die Suche nach internationalen Kollegen und Kolleginnen gemacht, die sich mit ähnlichen Themen beschäftigen. Zu sehen war, dass Deutschland natürlich nicht das einzige Land mit „heterogenen Klassenzimmern“ ist. Die Notwendigkeit von sprachsensiblem Fachunterricht wird weltweit gesehen. Wir konnten den Austausch über die Gestaltung von Lerngelegenheiten und somit das gemeinsame Voneinander-Lernen durch die BMBF-Förderung voranbringen. Der DaZKom-Test wurden im Rahmen dieser Kontakte übrigens bereits ins Englische übersetzt und ist bereits an verschiedenen amerikanischen Universitäten im Einsatz (u.a. als Evaluationsinstrumente im Projekt International Consortium for Multilingual Excellence in Education (ICMEE) https://cehs.unl.edu/icmee/).

WiHo-Redaktion: Gibt es weitere Beispiele für einen Transfer in die Praxis?

Wie bereits erwähnt, haben mehrere deutsche Universitäten aufgrund unserer Ergebnisse Rückmeldungen zur Qualität ihrer DaZ-Module erhalten und diskutieren eine Überarbeitung bzw. Umstrukturierung. Ein gutes Beispiel ist die Evaluation der lehramtsbezogenen DaZ-Module an den Berliner Universitäten (TU, FU und HU) mit Hilfe des DaZKom-Testinstruments.

WiHo-Redaktion: Welchen Stellenwert haben „Kompetenztests“ für die Gestaltung/ Weiterentwicklung der Lehre insgesamt Ihrer Meinung nach? Bei welchen konkreten Problemen können Sie helfen?

Kompetenztests sind ein sehr hilfreiches Instrument für die Verbesserung der Qualität der Lehre. Wichtig ist, dass es sich dabei nicht vornehmlich um Eignungstests für einzelne Studierende oder Lehrkräfte handelt. Es geht vielmehr darum, mit Hilfe der kompetenzorientierten Instrumente Rückmeldungen zur Gestaltung und Struktur der Curricula bzw. einzelner Module zu erhalten und damit eine Verbesserung der universitären Ausbildung zu erzielen. So wie wir das für DaZ-Kompetenzen getan haben, kann man das natürlich auch mit Blick auf andere Fähigkeiten - allen voran bestimmte softskills - machen. Mittel- bis langfristig führt dies zu einer besser ausgebildeten Lehrkräftegeneration und damit zu leistungsstärkeren Schülern und Schülerinnen.

Mitarbeiter/innen des Projektteams DaZKom-Video (vgl. Foto):

  • Prof. Dr. Timo Ehmke (Ko-Antragsteller/Projektleitung, hier mit Schwerpunkt Empirische Bildungsforschung/Psychometrie der Testentwicklung, Institut für Bildungswissenschaft, Leuphana-Universität Lüneburg)
  • Stephanie Klein (wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt, Bereich DaZ, Universität Bielefeld)
  • Prof. Dr. Barbara Koch-Priewe (Ko-Antragstellerin, Projektleitung und Koordinatorin des Forschungsverbunds der drei beteiligten Fakultäten in Bielefeld und Lüneburg, hier mit Schwerpunkt Lehrerprofessionsforschung, Fakultät Erziehungswissenschaft, Universität Bielefeld)
  • Viktor Borbus (technischer Mitarbeiter im Projekt, Schwerpunkt Programmierung der Tablets mit den Unterrichtsvideos, Leuphana-Universität Lüneburg)
  • Dr. des. Svenja Hammer (v.a. Testentwicklung, insbesondere zu Beliefs von DaZ-Lehrkräften, Schwerpunkt internationale Kooperation, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Vorgängerprojekt DaZKom, jetzt post-doc-Stipendiatin der Leuphana-Universität)
  • Dr. Anne Köker (Ko-Antragstellerin, Projektleitung, Schwerpunkt DaZ und Lehrerprofessionsforschung, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Fakultät Erziehungswissenschaft, Universität Bielefeld)
  • Svenja Lemmrich (wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt, Bereich Bildungsforschung, Leuphana-Universität Lüneburg)
  • Sarah Larissa Hecker (wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt, Bereich Professionsforschung, Fakultät Erziehungswissenschaft, Universität Bielefeld)
  • Prof. Dr. Udo Ohm (Ko-Antragsteller/Projektleitung, Schwerpunkt DaZ, Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft, Universität Bielefeld)