Dissertationen zu privaten Hochschulen
Nicht-staatliche Hochschulen sind in der Wissenschafts- und Hochschulforschung ein eher randständiger Gegenstand. Dabei sind die nicht-staatlichen Hochschulen in den vergangenen Jahrzehnten stark gewachsen. Dr. Axel Philipps, Forschungsreferent und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Hochschulforschung (HoF) an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg sowie Mitarbeiter im Meta-Projekt der Förderlinie "Forschung über nicht-staatliche Hochschulen" gibt im Interview einen Einblick in das Forschungsfeld und stellt abgeschlossene und laufende Dissertationen im Feld vor.
Herr Philipps, welche Hochschulen zählen überhaupt zu den nicht-staatlichen?
Es gibt im Wesentlichen zwei Kategorien: Die Hochschulen in kirchlicher Trägerschaft. Und die privaten, die von Unternehmen, Stiftungen oder Privatpersonen getragen werden. Im Gegensatz zu einem weit verbreiteten Bild, sind die meisten privaten Hochschulen in Deutschland dabei nicht rein gewinnorientiert aufgestellt. Einige sind als Gesellschaft mit beschränkter Haftung, andere als gemeinnützige GmbH oder als Stiftung bürgerlichen Rechts organisiert.
Wie haben sich diese nicht-staatlichen Hochschulen in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt?
Seit den 1990er Jahren ist ein deutlicher Anstieg der nicht-staatlichen Hochschulen in Deutschland zu beobachten. Während sie früher nur wenige Prozent des deutschen Hochschulsektors ausmachten, sind es heute mehr als ein Viertel aller Hochschuleinrichtungen. Bei den Studierendenzahlen ist der Zuwachs nicht ganz so deutlich, was vor allem daran liegt, dass die nicht-staatlichen Hochschulen in der Regel weniger Studierende aufnehmen als die staatlichen Hochschulen.
Was sind die Ursachen für diese Entwicklung?
Da würde ich auf eine Typologie von Roger Geiger zurückgreifen, der sagt, dass die staatlichen Hochschulen den Hochschulsektor in Deutschland dominieren und die privaten Hochschulen die Nische bedienen. Und diese Nische ist in Deutschland größer geworden.
Was ist diese Nische?
Die Nischen sind vor allem berufsbegleitende Studiengänge, die von den nicht-staatlichen Hochschulen als Fern- oder Teilstudium angeboten werden, insbesondere in den Gesundheits-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. Die privaten Hochschulen bieten hier zahlreiche Angebote für diejenigen an, die eher als atypische Studierende gelten. Dies sind insbesondere ältere Studierende, die sich berufsbegleitend weiterqualifizieren wollen. Die Nische wird vor allem von den nicht-staatlichen Hochschulen erfolgreich bedient.
Wie ist es um die Forschung über nicht-staatliche Hochschulen bestellt?
Lange Zeit waren die nicht-staatlichen Hochschulen in Deutschland so gut wie kein Forschungsthema. Vor 1990 gab es kaum Publikationen, die sich überhaupt mit ihnen beschäftigt haben. Erst in den Jahren danach, als auch die Zahl der Hochschulen zunahm, entwickelte sich die Forschung. In dieser Zeit wurden die nicht-staatlichen Hochschulen vor allem außerhalb der staatlichen Universitäten als Forschungsgegenstand wahrgenommen. Es gab viele Berichte von hochschulpolitischen Beratungseinrichtungen wie dem Wissenschaftsrat, dem Stifterverband oder dem Centrum für Hochschulentwicklung, die die Situation beschrieben und darauf aufmerksam gemacht haben, dass da etwas passiert. Erst ab Mitte der 2010er Jahre haben dann Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an staatlichen Universitäten verstärkt begonnen, die nicht-staatlichen Hochschulen zu untersuchen.
Wie sieht es mit Dissertationen in diesem Bereich aus?
Da zeigt sich ein ähnliches Bild: Die gab es früher nur sehr vereinzelt, weil es vielleicht auch kein Thema war, das die Betreuerinnen und Betreuer an den staatlichen Universitäten nach außen gegeben haben. Erst in letzter Zeit gibt es deutlich mehr. Die erste Dissertation, die sich mit privaten Hochschulen und ihrer Praxis in Deutschland beschäftigt hat, ist relativ spät erschienen, nämlich 2008 von Andrea Sperlich. Sperlich hatte sich die Organisation der privaten Hochschulen vorgenommen, um herauszufinden: Wie funktioniert dort erfolgreiches Management? Später folgte eine Reihe weiterer Fallstudien. Aber gerade durch die aktuelle BMBF-Förderlinie „Forschung zu nicht-staatlichen Hochschulen“ werden jetzt einige Dissertationen angestoßen, die sich sehr viel breiter mit nicht-staatlichen Hochschulen beschäftigen. Sie untersuchen beispielsweise Wissenstransfer, Studienverläufe oder die Bedeutung von Professuren für die Hochschulentwicklung vergleichend an nicht-staatlichen und staatlichen Hochschulen. Es ist daher oft nicht mehr die einzelne Hochschule, die als ein Fallbeispiel analytisch durchdrungen wird, sondern ein viel grundsätzlicher Blick, der die Spezifik nicht-staatlicher Hochschulen über die Differenz zu den staatlichen herausarbeitet.
Abgeschlossene Dissertationen:
Sperlich, Andrea: Theorie und Praxis erfolgreichen Managements privater Hochschulen in Deutschland, Universität Mannheim, 2008.
Elsherif, Mohamed A. M. A.: Die Privathochschulen in Ägypten und Deutschland im Vergleich, Universität Kassel, 2012.
Strack, Andreas: Studienverlauf und Berufseintritt von Absolventen privater Hochschulen, untersucht am Beispiel der Absolventen der BSA – Privaten Berufsakademie und der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement, Universität des Saarlandes, 2012.
Doelle, Joris: Privathochschulen in Deutschland: Bildungsstätten der zukünftigen Wirtschaftselite, Leibniz Universität Hannover, 2014.
Herrmann, Sonja: Private Hochschulen in Deutschland: eine Bestandsaufnahme deutscher Privathochschulen und empirische Vergleichsanalysen zwischen Studierenden privater und staatlicher Hochschulen. Dissertation, LMU München, 2021.
Baier, Jessica: Soziale Raumkonstitutionen von Studierenden. Eine qualitative empirische Analyse an privaten Hochschulen, Leibniz Universität Hannover, 2022.
Laufende Dissertationsprojekte (Arbeitstitel):
Klages, Annika: Fernstudierende der Sozialen Arbeit an privaten Hochschulen. Eine biographieanalytische Studie über Bildungs- und Professionalisierungsprozesse, Euro-FH Hamburg.
Schreiber, Henrik: Diversity-Management und interkulturelle Kompetenz an Hochschulen, Hochschule Osnabrück.
Krauter, Tabea: Knowledge Transfer at public and non-public German Higher Education Institutions: a multi-level national comparison of academics’ societal engagement, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI).
Will, André: Funktion und Bedeutung der Berufung von Professor:innen für die strategische Hochschul-entwicklung an privaten und staatlichen Hochschulen für angewandte Wissenschaften, Euro-FH Hamburg.